Im Stuttgarter Rathaus gelten die Bahn-Pläne als gut genug!

Braucht der künftige Tiefbahnhof von Stuttgart eine unterirdische Ergänzungsstation gleich nebenan? Für die Prüfung und Planung macht sich unter anderem der geistige Vater von Stuttgart 21, Gerhard Heimerl, stark. Doch die Verwaltungsspitze und die Mehrheit im Rathaus haben andere Prioritäten.

Auf der Panoramastrecke der Gäubahn soll, das ist weitgehend Konsens, auch künftig Verkehr sein. Welcher genau, das ist ein Diskussionsgegenstand.Foto: dpa/Franziska Kraufmann

Stuttgart – Im Rathaus ist rund drei Stunden lang über die Zukunft des Schienenverkehrs auf dem Panoramabahn-Abschnitt der Gäubahnstrecke und über den Wohnungsbau auf bisherigen Gleisflächen hinter dem Hauptbahnhof diskutiert worden. Dabei bekannten sich Städtebaubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und die meisten Stadträte im Stuttgart-21-Ausschuss am Mittwochnachmittag zu den bisherigen Plänen und Beschlüssen – und sie wiesen, wenn auch ohne Abstimmung, mehrere Änderungswünsche zurück. Etwa den dringenden Appell vom Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland, die Gäubahnstrecke nicht – wie momentan vorgesehen – im Sommer 2025 vom Hauptbahnhof abzuhängen.

Lediglich Hannes Rockenbauch vom Linksbündnis warnte ebenfalls drastisch vor der Kappung, die so lange andauern soll, bis die Gäubahnstrecke anstatt über den Panoramabahn-Ast in Stuttgart über eine neue Schleife am Flughafen und den Fildertunnel von Stuttgart 21 wieder mit dem dann als Tiefbahnhof betriebenen Hauptbahnhof verbunden sein wird. Nach den bisher gültigen Plänen soll sie in Stuttgart-Vaihingen enden, nach neueren Überlegungen via Panoramabahn wenigstens bis zum Stuttgarter Nordbahnhofviertel weitergeführt werden.

Die Grünen-Fraktion ging, weniger stürmisch, auch auf Distanz zu den vorliegenden Plänen, für die der grüne OB Fritz Kuhn und auch Bürgermeister Pätzold eintreten. „Die Gäubahnunterbrechung würde alles lahm legen“, sagte Gabriele Munk. Sie hält wenigstens den „Nordhalt“ für notwendig und für „gesetzt“. Aber für den langfristigen Betrieb müsse man überlegen, wie die Fahrgäste „dauerhaft zum Bahnhof kommen“. Alarmiert zeigte sich Munk von einer beiläufigen Bemerkung des Verkehrswissenschaftlers Stefan Tritschler von der Uni Stuttgart, wonach ein Konzept für Störfälle und für Blockaden auf der S-Bahn-Stammstrecke bisher nicht vorliege.

Einer mutmaßlichen Mehrheit gefällt das bisherige Konzept.

Florian Bitzer von der Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm sprang in die Bresche: So ein Störfallkonzept für eine Situation Ende 2025 gebe es aus guten Gründen jetzt noch nicht. Dank der Neubauten im Rahmen von S 21 könne ohne jeden Zweifel ein vernünftiges Störfallkonzept gefahren werden. Es gehe auch keineswegs um rund 120 Störereignisse pro Jahr, wie der geistige S-21-Vater, Professor Gerhard Heimerl, sowie der Mobilitätsberater Klaus Amler im Interview mit der Stuttgarter Zeitung gesagt hatten. Aus Sicht der Bahn redet man von zehn bis 20 nennenswerten Ereignissen im Jahr, was nach Informationen unserer Zeitung allerdings auch im Landesverkehrsministerium als eine Beschönigung der Situation beurteilt wird.

Das Konzept für den Bahnknoten funktioniere auch im Störfall, meinte aber auch Armin Serwani (FDP). Städtebau habe Vorrang vor weiteren verkehrlichen Ergänzungen, die in letzter Zeit gefordert wurden. Martin Körner (SPD) sah es ähnlich: Man müsse jetzt endlich Wohnungen bauen. Dass S 21 die Verdoppelung der Fahrgastzahl im Bahnverkehr ermögliche, sei nachgewiesen. Beim Stadtbahnverkehr sehe es ganz anders aus. „Unsere zweite Stammstrecke ist die Neubaustrecke von S 21“, sagte Alexander Kotz (CDU). Ans Umsteigen durch die Kappung der Gäubahn würden sich die Fahrgäste gewöhnen. Auch Michael Schrade von den Freien Wählern und Kai-Philip Goller von der AfD zogen das Konzept und die Kappung der Gäubahn nicht in Zweifel, wohingegen Thorsten Puttenat von der Fraktionsgemeinschaft Puls warnte: „Das Verkehrskonzept muss sitzen.“

Baubürgermeister warnt vor Ergänzungsstation.

Während das Linksbündnis einmal mehr den Erhalt von ein paar oberirdischen Gleisen zum Hauptbahnhof forderte, erteilte CDU-Vormann Kotz nicht nur diesem Ansinnen eine Absage, sondern auch anderen Überlegungen, unter der Erde zwei Gleise zum Hauptbahnhof zu führen und eine „Ergänzungsstation“ mit vier Bahnsteigen zu planen. Wofür die Grünen-Fraktion aber offen ist, wie Munk andeutete.

Über diese Idee wurde nur am Rande debattiert, aber durchaus kontrovers. Das städtebauliche Konzept, das gerade fürs Rosensteinquartier entwickelt wird, sei „robust“ und einen Tunnel unter Bebauung würde man hinbekommen, sagte Cem Arat vom planenenden Büro asp-Architekten, es mache das Bauen darüber allerdings teurer. An dem Punkt grätsche Bürgermeister Pätzold rein, damit Arat nicht zum Kronzeugen für die Befürworter der Ergänzungsstation werde.

So ein Tunnel werde nicht von der Fee mit dem Zauberstab geschaffen, sagte Pätzold. So ein Tunnel brauche Brandschutz, Entrauchung und anderes mehr. Und der Boden darüber sei nicht uneingeschränkt nutzbar. Er wolle statt ewiger Baustellen jetzt Wohnungsbau, sagte Pätzold. Der Gleisbogenpark anstelle der heutigen Gleise, wo auch der Tunnel zum Ergänzungsbahnhof entstehen würde, solle alle Elemente des neuen Viertels verbinden und „ab 2025 entwickelt werden“, damit er fertig ist, ehe die Nachbarn kommen. Zudem will die Verwaltung im Herbst klären, ob am künftigen Manfred-Rommel-Platz beim Hauptbahnhof ein Kongresszentrum, ein Haus der Welten und Kulturen mit dem Nukleus Linden-Museum oder eine neue Philharmonie gebaut werden soll. Schon 2021 soll ein Architektenwettbewerb aufzeigen, wie das aussehen könnte.

Die Wissenschaft plädiert für den „Nordhalt“

Oberirdische Gleise, wie von Rockenbauch gefordert, empfindet Pätzold offensichtlich als Horrorvision. „Wir sperren uns, auch nur übergangsweise für die Gäubahn Gleise liegen zu lassen“, sagte der Bürgermeister auch im Namen von OB Kuhn. Man wolle den Wohnungsbau forcieren: Die Menschen in der Notfallkartei der Stadt wollten Wohnungen, „sie wollen nicht nach Zürich fahren“. Immerhin sei geklärt, dass man die Panoramabahn-Strecke weiterbetreiben wolle. Würde im Stuttgarter Rathaus jetzt abgestimmt, käme wohl keine Mehrheit für einen ununterbrochenen Gäubahnbetrieb bis zum Hauptbahnhof und auch nicht für eine Ergänzungsstation zustande.

Was der Nordhalt bringt, darauf ging Stefan Tritschler, Geschäftsführer des Verkehrswissenschaftlichen Instituts, ein. Die Strecke würde – ohne Anschluss an den Hauptbahnhof – wie bisher schon im Störungsfall S-Bahn-Verkehr zwischen dem Norden und dem Süden von Stuttgart am bisherigen S-Bahn-Tunnel vorbei ermöglichen. Sehr empfehlenswert sei es, auch zeitnah den Bau des „Nordhalts“ anzugehen, da dies den künftigen Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen in der Zeit entlaste, wenn die Gäubahn nicht zum Hauptbahnhof fährt, weil die dortigen Gleise abgeräumt werden.

Die Investitionskosten für den Nordhalt werden auf rund 2,3 Millionen Euro geschätzt, wozu noch Aufwand für den Umbau bestehender Gleisanlagen käme.

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